Über sechs Jahre hat der heimische Landtagsabgeordneter Werner Jostmeier das Land Nordrhein-Westfalen in Brüssel im Ausschuss der Regionen (AdR) vertreten. Zweieinhalb Jahre davon war Jostmeier bis zu seiner gestrigen Verabschiedung auch Leiter der Deutschen Delegation im AdR von insgesamt 48 deutschen Vertretern aus allen 16 Länderparlamenten, sowie den kommunalen Spitzenverbänden.
Darunter auch Namen wie Petra Roth, ehemalige Oberbürgermeisterin von Frankfurt, Peter Müller, ehemaliger Ministerpräsident des Saarlandes. Auch die Ministerpräsidenten von Bayern (Edmund Stoiber) oder von NRW (Johannes Rau), waren einmal Mitglieder des AdR. Nimmt man die so genannte Arbeitsebene (Referenten der Ministerien und Landtage) hinzu, war Jostmeier bis zur Auflösung des Landtages im März diesen Jahres Chef von etwa 100 deutschen Europapolitikern und -beamten in der EU-Hauptstadt Brüssel.
Der AdR wurde im Februar 1992 durch den Vertrag von Maastricht insbesondere auf Wunsch der föderalen EU-Mitgliederländer geschaffen, um ein Mitspracheorgan bei der Europäischen Willensbildung und Gesetzgebung zu haben. „Über 70 % der politischen Entscheidungen der EU müssen vor Ort von den Städten und Kreisen oder Regionen umgesetzt werden“, so Jostmeier, „finden irgendwo Großschadensereignisse statt, oder gibt es Flüchtlingswellen von Nordafrika von hilflosen Menschen in den ältesten Booten an den Südküsten der EU, oder nach Deutschland, wie in den 90er Jahre beim Balkankrieg, dann sind die Bürgermeister, Landräte und die Hilfsorganisationen vor Ort die ersten, die sofort Hilfe leisten und mit der Situation klar kommen müssen. Dann ist es doch völlig natürlich, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der EU-Gesetzgebung mitreden müssen, wenn es um Regelungen geht, die sie selbst am ehesten unmittelbar betreffen“, so Jostmeier weiter. Außerdem wacht der AdR dabei über die Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, um Bürokratie und Zentralismus zu vermeiden. Daher haben auch zentralistisch regierte Staaten wie Frankreich, Spanien, Polen und andere sehr den Wert der Mitsprache im AdR zu schätzen gelernt.
Aufgrund des Wahlergebnisses in NRW vom 13. Mai hat nun die Rot-Grüne Landesregierung die Besetzung dieses Postens in Brüssel mit einem Vertreter mit eigenem Parteibuch für sich beansprucht. Weil gestern auch die Neuwahl des deutschen Leiters anstand, der turnusgemäß nun einem SPD-regierten Bundesland zusteht, wurde Jostmeier gleichzeitig als NRW-Vertreter aus dem AdR und als Leiter der Deutschen Delegation verabschiedet. Was sich dann am Mittwochnachmittag in der NRW-Vertretung in Brüssel abspielte, hatte Jostmeier in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet: Nach Erledigung der Sachthemen zur Vorbereitung der Plenarsitzung meldeten sich nacheinander die Europaminister bzw. Ministerinnen aus Bayern, Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Tirol und Vorarlberg in Österreich (Namen siehe unten) sowie Vertreter der Parteien, u. a. der amtierende Generalsekretär des AdR Gerhard Stahl (SPD) zu Wort. Sie sparten nicht mit Dank für den engagierten und erfolgreichen Einsatz Jostmeiers bei der Wahrnehmung von deutschen und NRW-Interessen in Brüssel.
Insbesondere fiel dabei häufiger die Formulierung „mit sehr viel Herzblut, parteiübergreifend und erfolgreich die deutschen Positionen vertreten“ oder „immer bemüht, nicht nur eine Mehrheit zu organisieren, sondern bei Entscheidungen die kleinen EU-Länder einzubeziehen und somit Solidarität mit der deutschen Position zu erreichen“. Selbst die Vertreterin der „LINKE“ aus Berlin, Eva Michels, bedankte sich bei Jostmeier für die faire und konsenssuchende Verhandlungsführung. „Zwischendurch“, so die amtierende Alterspräsidentin, Frau Staatsministerin a. D. Prof. Männle aus Bayern, „wurde es sogar richtig feierlich“.
Als herausragende Ergebnisse Jostmeiers im AdR wurden u. a. genannt: (Für Details anklicken.)
Dr. Angelica Schwall-Düren, NRW-Ministerin für Europa und Medien, brachte es wie folgt auf den Punkt: „…war als Moderator und Mediator immer gefragt, wenn es galt, Differenzen zwischen den Fraktionen nicht nur beizulegen, sondern in der Sache auch zu guten Ergebnissen zu führen.“ Der Österreichische Delegationsleiter und Landtagspräsident von Innsbruck, Herwig van Staa, betonte die stete Einbindung der Österreichischen Vertreter in die Entscheidungsfindung. Als Dank schenkte die Österreichische Delegation Jostmeier einen Wochenendaufenthalt in Tirol.
Jostmeier, sichtlich bewegt, bedankte sich seinerseits kurz und knapp nicht nur für die gute und konstruktive Zusammenarbeit, sondern auch für die Orientierung an der Sache, um Europa nach Vorne und die deutschen Positionen zur Geltung zu bringen. „Diesen großen Bahnhof“, so Jostmeier, „habe ich aber nicht verdient. Ich habe doch nur meinen Job gemacht“.
Jostmeier auf die Frage: „Was bleibt von diesen sechs Jahren?“ Lacht: „Vielleicht bleiben in dieser schnelllebigen und krisenhaften Phase der Europäischen Union nur zwei Dinge:
Der von mir ins Leben gerufene „deutschsprachige Stammtisch“, immer am ersten Plenarabend. Selbst gestern Abend kamen trotz eines Empfanges des neu gewählten AdR-Präsidenten fast 30 Teilnehmer zu diesem Stammtisch. Und hier wird oft erfolgreicher Politik gemacht, als in den Fachkommissionen.“
Zweitens: Auch in der Politik entstehen persönliche Bindungen, ja Freundschaften. Ich habe in jeder europäischen Hauptstadt inzwischen mindestens zwei Adressen, bei denen ich mich für eine Tasse Kaffee anmelden darf.“
Auf unserem obigen Bild sehen Sie (v.l.n.r.):
Emilia Müller, bayer. Ministerin für Europa- und Bundesangelegenheiten, Vorgängerin von Jostmeier im Vorsitz der AdR-Delegation; Prof. Dr. Ursula Männle, bayerische Staatsministerin a. D. und amtierende Alterspräsidentin der deutschen AdR-Delegation; Dr. Holger Poppenhäger, thüringischer Justizminister und Nachfolger Jostmeier als Delegationsvorsitzender; Dr. Angelica Schwall-Düren, NRW-Ministerin für Europa, Bundesangelegenheiten und Medien; Werner Jostmeier MdL, Roland Schäfer, Gesandter in der ständigen Vertretung der deutschen Botschaft bei der EU, Erwin Mohr, Sprecher der Österreichischen Delegation, Bürgermeister a. D. Bregenz.