Noch immer keine „Zeitenwende“

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Die angekündigte „Zeitenwende“ lässt weiter auf sich warten: Von den 100 Milliarden Euro Sondervermögen, die die Union mitbeschlossen hat, will das Verteidigungsministerium neun (!) Milliarden abrufen. Die Ampel segelt im sicherheitspolitischen Blindflug. Andere Themen der Sitzungswoche waren Straßenblockierer und Museumsrandalierer, die endlich härter bestraft werden müssen, und das Bürgergeld, mit dem sich die Regierung vom Fördern und Fordern verabschiedet.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Parteifreunde,

Gedenkstunden gehören zu den Sternstunden des deutschen Parlamentarismus. In dieser Sitzungswoche gedachten wir den Ereignissen des 9. Novembers, der wie kein anderer Tag für die wechselhafte deutsche Geschichte steht. Am 9. November 1918 rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstags die Deutsche Republik aus. Am 9. November 1989 fiel nach friedlichen Protesten die Mauer. Ein Tag ungetrübter Freude, wären da nicht der 9. November 1938 und die Novemberpogrome der Nationalsozialisten. Ich teile die Einschätzung unseres Bundespräsidenten. Er führte während einer Gedenkstunde aus, dass das Land niemals wahrhaftig des 9. Novembers gedenken könne, ohne an den Zivilisationsbruch des Holocaust zu erinnern. Trotz oder gerade wegen der kontroversen Themen des politischen Alltagsgeschehens sind diese Gedenkstunden zentral für die politische Kultur in unserer Demokratie.

Im Zentrum der innenpolitischen Auseinandersetzung standen in dieser Woche das Bürgergeld und der Antrag der Union, Klimaaktivisten härter zu bestrafen. In der Außenpolitik dreht sich nach wie vor alles um den Krieg in der Ukraine. Trotz des angekündigten Rückzugs der russischen Truppen aus Teilen der Region Cherson geht der Krieg in anderen Teilen des Landes mit unvermittelter Härte weiter. Es ist gut, dass die Außenminister in Münster klargemacht haben, dass der Westen weiterhin an der Seite der Ukraine steht. Ich hoffe sehr, dass die Bundesregierung ihren Worten Taten folgen lässt und die Ukraine nach Kräften unterstützt. Die Ukraine muss militärisch in die Lage versetzt werden, aus einer Position der Stärke mit Russland zu verhandeln. Dies ist aus meiner Sicht die einzige Chance für den lang ersehnten, nachhaltigen Frieden in der Ukraine.

Die Bundesregierung auf sicherheitspolitischem Blindflug

Dass angesichts der außen- und innenpolitischen Spannungen die Bundesregierung im kommenden Jahr weniger Geld für die innere und äußere Sicherheit zur Verfügung stellen will, halte ich für die falsche Schwerpunktsetzung. Die Ampel wird bei der Bundespolizei, beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowie beim THW den Rotstift ansetzen und massiv Gelder kürzen. Auch der Etat des Verteidigungsministeriums soll 2023 um knapp 300 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr gekürzt werden. Unter „Zeitenwende“ hatte ich mir wahrlich etwas anderes vorgestellt.

Laut Planungen des Verteidigungsministeriums sollen aus dem vom Bundestag mit Stimmen der CDU und CSU verabschiedeten 100 Milliarden Sondervermögen lediglich neun Milliarden abgerufen werden. Das ist eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung. Mir ist unerklärlich, wie die Ampel angesichts der Bedrohungen durch die hybride Kriegsführung Russlands einen derartigen sicherheitspolitischen Blindflug wagen kann.

Straßenblockierer und Museumsrandalierer endlich härter bestrafen

Sie kleben sich auf Autobahnen und behindern Rettungskräfte; sie dringen in Museen ein, zerstören und beschädigen wertvolle Kulturschätze: Die Rede ist von Straßenblockierern und Museumsrandalierern. Auf Wunsch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir uns im Bundestag mit diesen aggressiven Protestformen beschäftigt.

Eines vorweg: Der Schutz des Klimas und unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist eine der zentralen politischen Aufgaben unserer Zeit. Es ist gut, dass zivilgesellschaftliche Akteure auch mit Demonstrationen politischen Druck ausüben.

Doch bei diesen Protesten handelt es sich nicht um politischen Aktivismus, sondern um Straftaten. Als Union werden wir dieser Radikalisierung der Klimabewegung nicht tatenlos zuschauen. Durch die Blockade von Verkehrswegen wurden in Berlin nach Aussage des Senats seit Februar bereits in 18 Fällen Rettungsfahrzeuge im Einsatz behindert. Die Polizei war gezwungen, aufgrund der Blockaden 130.000 zusätzliche Einsatzstunden zu leisten. Die Zahl der Bürgerinnen und Bürger, die morgens auf dem Weg zur Arbeit im Stau standen, ist nicht zu bemessen. Die begangenen Delikte reichen von Nötigung über den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, das Behindern von Rettungskräften bis zur gemeinschädlichen Sachbeschädigung. Als Union fordern wir in unserem Antrag, dass die Behinderung von Rettungskräften künftig den Tatbestand der besonders schweren Nötigung erfüllt und mit drei Monaten Freiheitsentzug bestraft werden muss. Ebenso sieht unser Antrag vor, die Beschädigung oder Zerstörung von Gegenständen von besonderem kunsthistorischem Wert als besonders schweren Fall einzustufen und ebenfalls mit mindestens drei Monaten Freiheitsentzug zu sanktionieren.

Ich hoffe sehr, dass sich die Ampel unserer Vorschläge annehmen und diese in ein Gesetz gießen wird. Nach dem Verlauf der ersten parlamentarischen Debatte sind meine Zweifel eher größer als kleiner geworden. Über den Antrag und den Verlauf der Plenardebatte habe ich mit der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Andrea Lindholz gesprochen. Das Video finden Sie hier.

Mit dem Bürgergeld verabschiedet sich die Ampel vom Fördern und Fordern

Beim Streit um das Bürgergeld, das der Bundestag mit Ampel-Mehrheit am Donnerstag beschlossen hat, treibt die Union die Regierung vor sich her. Worum geht es bei dem Gesetz? Das Bürgergeld soll das bestehende Hartz-IV-System (SGB II) ersetzen. Als Union befürworten wir grundsätzlich Reformen in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Der von der Ampel eingeschlagene Weg ist allerdings falsch. Aus Sicht der Union muss eine Reform das bewährte Prinzip des Förderns und Forderns beibehalten, damit die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Das Bürgergeld sieht genau Gegensätzliches vor.

Das Bürgergeld senkt den Druck auf Arbeitslose, eine neue Beschäftigung zu finden. In den ersten achtzehn Monaten des Bezuges gibt es faktisch keine Sanktionen, wenn Meldepflichten nicht eingehalten oder Jobangebote ausgeschlagen werden. Die Vermittlung in Arbeit hat für die Ampel keine Priorität. Das zeigt sich auch daran, dass die Eingliederungshilfen, also Maßnahmen zur Aufnahme einer Beschäftigung, um 600 Millionen Euro gekürzt wurden. Angesichts von 2,4 Millionen Arbeitslosen und 1,9 Millionen offenen Stellen halte ich das für den falschen Weg.

Auch das geplante Schonvermögen sehen wir kritisch. Nach den Plänen der Ampel kann eine vierköpfige Familie 150.000 Euro Barvermögen auf dem Konto haben, dazu noch ein Eigenheim und eine Altersvorsorge und trotzdem staatliche Stütze beziehen. Das halte ich für unsolidarisch, das liefert gesellschaftlichen Sprengstoff. Viele Beschäftige, die morgens aufstehen und das neue Bürgergeld mit ihren Steuern finanzieren, können von einem solchen Vermögen nur träumen. Es ist ungerecht, wenn derjenige, der arbeitet und sich um die Bezahlung der nächsten Strom- und Gasrechnung sorgt, den Gürtel enger schnallen muss und jemanden finanziert, der ein hohes Schonvermögen auf dem Konto hat. Solidarität funktioniert nur, wenn alle das leisten, was sie können.

Regelsatzerhöhung: Die Bundesregierung nimmt Bedürftige in Geiselhaft

Einigkeit besteht darin, den sogenannten Regelsatz, der derzeit 449 Euro beträgt, auf 502 Euro anzuheben. In einer Zeit stark steigender Preise halte ich dies für angemessen und richtig. Deshalb hat die Union einen konstruktiven Vorschlag gemacht: Die Regelsätze steigen zum 1. Januar auf 502 Euro, über die sonstigen Regelungen zum Gesetz wird später entschieden.

Die Ampel hat dieses konstruktive Vorgehen der Union abgelehnt und das Gesetz als Ganzes zur Abstimmung gestellt. Damit nimmt die Regierung alle, die auf eine Erhöhung angewiesen sind, in Geiselhaft. Das Vorgehen ist umso unverständlicher nach den Ausführungen von Andrea Nahles, ehemalige SPD-Arbeitsministerin und jetzige Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Sie hat in einer Expertenanhörung ausgeführt, dass die von der Ampel geplanten hochkomplexen Veränderungen im Sozialrecht aus organisatorischen Gründen ohnehin nicht vor dem 1. Juli 2023 eingeführt werden könnten. Die Ampel zeigte sich im gesamten Gesetzgebungsprozess beratungsresistent. Die mahnenden Stimmen des Landkreistages, des Handwerks, des Städtetages und den Bundesrechnungshofes hat die Ampel einfach vom Tisch gewischt. Damit brüskiert sie diejenigen, die unseren Sozialstaat vor Ort umsetzen und tragen.

Regelsatzerhöhung: Ja! Eine soziale Hängematte: Nein! So kann die Position der Union zusammengefasst werden. Diesen konstruktiven Weg wollte die Ampel nicht mitgehen und hat ihr Gesetz mit Mehrheit im Bundestag durchgesetzt.

In der kommenden Woche wird das zustimmungspflichtige Gesetz im Bundesrat verhandelt. Ich gehe davon aus, dass dieser das Gesetz aus guten Gründen ablehnen wird. Damit ist die geplante Reform der Ampel vorerst gescheitert. Die Beratungen um das Gesetz werden dann im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat weitergeführt. Ich hoffe sehr, dass sich die Ampel hier konstruktiver zeigt.

Viele Grüße aus Berlin

Ihr Marc Henrichmann

 

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